Kaps Vision: Minus 220 Dioptrien? Geht doch! › eyebizz

2022-06-23 07:47:44 By : Mr. William Lam

Familienunternehmen haben es hierzulande offenbar schwer, sich mit Erfolg zu etablieren. Anders die Kaps Vision Brillenglas GmbH mit Sitz in Rathenow. Das 2017 gegründete, familiengeführte Unternehmen ist Experte für extreme Brillenglasstärken und wurde von der Wirtschaftsförderung Brandenburg als innovativ eingestuft. [14219]

„Sie sind unsere Rettung! Gut, dass es Sie gibt, wir haben sonst niemanden gefunden, der uns weiterhilft!“ Das hört Peter Kaps immer wieder von Kunden und bleibt bescheiden: „Es ist natürlich schön, wenn man positives Feedback bekommt.“ Anzeige

Die Gründung des Familienunternehmens, das sich auf die Anfertigung von Sonderlinsen im LowVision-Bereich spezialisiert hat, war 2017 für den heute 29-jährigen Geschäftsführer kein Spaziergang, der Antrag für Wirtschaftsförderung durch das Land Brandenburg am Ende ein Wettlauf mit der Zeit.

„Wir haben noch am Heiligen Abend den Antrag online ausgefüllt. Später hätten wir das gar nicht abgeben dürfen“, erzählt Kaps. Während er sich noch auf seine Meisterprüfung als Augenoptiker vorbereitete, schrieb er gemeinsam mit seinem Vater Lothar, einem gelernten Ingenieur und zuvor einer von zwei Geschäftsführern eines Brillenglasherstellers, den Businessplan. Im Juni fingen sie an, im März waren sie immer noch nicht fertig, am Ende waren es satte 80 Seiten.

Grund für den immensen Aufwand war, dass Vater und Sohn eine finanzielle Förderung über die „Gründung innovativ“ beantragten, da sie den Firmenstart mit neuen Produkten beginnen wollten: „Wir mussten beweisen, dass es das Produkt noch nicht gibt. Der Antrag wurde auch zunächst abgelehnt, bis uns eine Partnerfirma bestätigen konnte, dass das Produkt tatsächlich noch nicht auf dem Markt existiert.“

Begleitet wurden Peter Kaps und sein Vater, der jetzt technischer Leiter und Prokurist im Unternehmen ist, vom „Lotsendienst für Gründer“ im Landkreis Havelland und einem Unternehmensberater. Die Anfangsinvestition lag bei 250.000 Euro. Zwei spezielle Maschinen ließ man eigens für die besonderen Ansprüche fertigen, sie wurden von „Gründung innovativ“ mitfinanziert. In der 360 Quadratmeter großen Produktionshalle von Kaps sind mittlerweile rund 10.000 Werkzeuge gelagert. „Wir können“, schwärmt der Junior, „komplette Brillengläser am PC im 3D-Verfahren zeichnen und herstellen.“

Seine Ausbildung zum Augenoptiker machte der Firmenchef bei einem LowVision-Spezialisten in Berlin. Den Meister setzte er drauf, um mit den Kunden von Kaps auf Augenhöhe kommunizieren zu können. Und das sind Augenoptiker*innen in Deutschland und Brillenglashersteller in ganz Europa, darunter Italien, Schweiz, Dänemark und Kroatien. Das Spektrum des technisch Möglichen umfasst bei den Rathenowern Werte von -220 bis +60 dpt (siehe Interview weiter unten). Immer geht es um individuelle Anfertigungen, die sich für Produzenten von Brillengläsern in hohen Stückzahlen nicht lohnen.

Zentral im Portfolio ist das Segment Bifo. Dort werden vom Augenoptiker benötigte Nahteile in der gewünschten Segmentform gefertigt (C28, F28, F45 R24 etc.). Die Fernteile werden passgenau dazu in der jeweiligen Form gefräst, sodass die Nahteile genau zueinander passen und fest verklebt werden, wie Peter Kaps erklärt. „Wir bieten dort neben den verschiedenen Nahteilformen auch verschiedene Brechungsindizes an. Die Additionen sind nicht begrenzt. Bei fertigen Bifokalgläsern geht es häufig nur bis 4 oder 4,5. Wir können Additionen bis 20 dpt realisieren.“

Angetreten ist das Unternehmen auch mit der Vision, Franklin-Gläser zu optimieren, die bislang aus zwei Gläsern mit unterschiedlichen Stärken gefertigt werden. Ziel ist eine Neuentwicklung aus einem Stück, hier arbeitet man mit der TH Brandenburg zusammen. Bei Kantenfiltergläsern, die sich selbst eintönen und die Augen zusätzlich schützen, ist Kaps in der Probephase innerhalb einer Kooperation mit einem Beschichtungspartner.

Aufträge kommen manchmal auch aus der Feinoptik. Peter Kaps erzählt von einer Anfrage, bei der Flächen extrem fein poliert werden mussten. Da arbeiteten die Tüftler mit Materialien, die nicht für die Brillenglasfertigung verwendet werden. „Wir lernen ständig dazu, lassen uns immer wieder etwas Neues einfallen, wenn uns Augenoptiker*innen fragen: Ist das nicht irgendwie machbar?“ Zu den besonderen Aufträgen von einem Brillenliebhaber gehört auch der Nachbau einer Waldsteinbrille komplett aus Plexiglas, selbst gefräst und mit eingeklebten Gleitsichtgläsern versehen.

In Rathenow geboren und aufgewachsen kennt Peter Kaps in den verschiedensten Firmen vor Ort mindestens ein, zwei Leute. In der „Stadt der Optik“ ist die Familie gut und freundschaftlich vernetzt, Kaps lobt andere augenoptische Unternehmen in der Region für ihre Produkte.

„Was ich hier mache, kommt mir nicht wie Arbeit vor, obwohl ich oft zehn bis zwölf Stunden im Betrieb bin“, sagt er. „Denn bei fast jedem Brillenglas ist Fachwissen gefragt, das gefällt mir.“ Mutter Sabine, gelernte Verfahrensmechanikerin, arbeitet ebenso in der Firma wie zwei Tanten, die sich um die Buchhaltung kümmern. Eine Praktikantin von der Technischen Hochschule gibt es auch noch, einen weiteren Mitarbeiter will Peter Kaps in diesem Jahr einstellen.

„Mundpropaganda ist immer noch das Beste und Social Media wichtig“, sagt Kaps. Das Unternehmen wirbt verstärkt auf Instagram, zudem hat man WhatsApp Business eingerichtet, um schneller und flexibler mit Augenoptiker*innen kommunizieren zu können. Doch so wichtig der Firmenchef Digitalisierung findet, im Fall von Computer-Features, die in Gläser integriert werden und Informationen zum Sichtfeld des Nutzers hinzufügen, zeigt er Skepsis: „Ich denke, bei niedrigeren Stärken ist eine solche integrierte Technologie in naher Zukunft umsetzbar, aber nicht im hohen Glasstärkenbereich.“

Interview mit Peter Kaps, Geschäftsführer Kaps Vision Brillenglas GmbH

eyebizz: Sie haben kürzlich gesagt: Ab einer Brillenglasstärke von minus oder auch plus 12 dpt, wenn andere Hersteller passen müssen, wird es für uns interessant.

So genau lässt sich das nicht eingrenzen. Wir stellen zum Beispiel auch Bifokalgläser mit geringen Werten her, etwa mit Sph. +1,00 Zyl. -0,50 120° Add. 2,50 und einem Prisma, das ausschließlich in der Nähe vorhanden sein soll. Das sind zwar geringe Werte, diese sind aber dennoch kompliziert herzustellen, sodass es solche Sortimente nicht fertig abgegossen aus dem Regal gibt. Hier ist dann ebenfalls eine Spezialanfertigung notwendig.

Was war Ihr bislang ungewöhnlichster Auftrag?

Wir hatten den Fall eines Mannes, der hatte zunächst eine Sehschwäche von -30 dpt, doch alle drei Monate ging es nochmals 30 dpt ins Minus. Wie wir über mehrere Ecken erfahren haben, soll sein Auge bei einem Unfall gequetscht worden sein. Und er soll zusätzlich einen Keratokonus gehabt haben, auch deswegen hat sich sein Sehvermögen so drastisch verschlechtert. Am Ende war er dann bei -220 dpt angelangt. Mit unseren Gläsern konnte er sich zumindest in seinem Umfeld orientieren.

Wir bekommen oft Anfragen, bei denen wir Neues ausprobieren. Es gab zum Beispiel Fälle, in denen wir sehr hohe Minus-Gläser realisieren mussten. Normalerweise ist eine Außenkurve konvex. Und wir haben dann einmal versucht, eine Außenkurve konkav zu bauen und die Innenkurve ebenfalls konkav, weil der Augenoptiker das so gewünscht hat, und das sah auch nicht so schlecht aus, wie man zunächst denkt.

Kann man solche Erfindungen öfter verwenden, also bei anderen Anfragen erneut nutzen?

Öfter kann man bei uns nicht sagen, weil es immer auf den Einzelfall ankommt. Aber wir haben dann etwas in petto, das wir als Notlösung verwenden können, wenn die Materialien – von der Dicke her – nicht mehr ausreichen, um hohe Minuswerte zu generieren. Wir können dann darauf zurückgreifen.

Zu Ihrem Portfolio gehören auch Brillengläser mit dem Namen „Hyperlent Select“, für die Sie im Zuge Ihres Businessplans auch gefördert wurden. Was sind das für Gläser?

Das sind Plus-Lentikular-Gläser, bei uns Hyperlent Select genannt. Bei diesen Gläsern ist es möglich, im Kunststoffbereich alle Brechungsindizes zu verwenden und den optisch wirksamen Teil selbst zu bestimmen.

Es gibt zurzeit fertig abgegossene Lenti-Brillengläser zwar auch in höherbrechenden Materialien, aber dort sind diese zentralen Zonen nicht veränderbar. Durch die individuelle Optimierung der optisch wirksamen Durchmesser sparen wir etwa bei Kinderbrillen erheblich an Mittendicke ein und können den relevanten Durchmesser auf den kleinen Brillenfassungen anpassen, sodass die optisch wirksame Zone beim Einschleifen in die Fassung nicht angeschliffen wird.

Grünauer Fenn 20, D – 14712 Rathenow

Tel.: +49 (0) 3385 / 6109988, E-Mail: info@kaps-vision.com

Beitrag aus der eyebizz 2.2021 (Februar/März)

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