Glas für das Superauge

2022-07-30 08:48:53 By : Ms. Jenny Jia

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Schritte zum Spiegel: zuerst der Guss Bild: SCHOTT

Die Spiegel für das neue europäische Großteleskop werden in Mainz gefertigt. Ein Werksbesuch.

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M ittwoch ist Gießtag in der Zerodur-Glashütte der Schott AG. Wie an vielen Mittwochen in den vergangenen beiden Jahren haben die Mitarbeiter in der Halle auf dem Werksgelände in der Mainzer Neustadt auch an diesem Morgen eine mit weißer Mineralwolle ausgekleidete trommelförmige Gussform aus Stahl bereitgestellt – etwa 80 Zentimeter hoch und 160 weit. Aus dem Glas, das gleich beginnen wird, sich darin zu verfestigen, sollen sechs Primärspiegel-Segmente für das Extremely Large Telescope (ELT) werden.

„Von oben sehen wir es besser“, sagt Thomas Westerhoff, Chef der Zerodur-Sparte bei Schott, und geleitet den Besucher ein paar Stufen einer stählernen Treppe hinauf. Unter uns klafft ein einige Handbreit weiter Spalt, über dem Männer in Schutzanzügen nun die Gussform platzieren. Über uns thront das Allerheiligste einer jeden Glashütte: die Schmelzwanne. Zwei Tage zuvor hatte man sie mit mehreren Tonnen eines weißen Pulvers gefüllt. Es bestand hauptsächlich aus Quarz, Aluminiumoxid und Lithiumcarbonat und ist jetzt eine 1400 Grad heiße Masse. Im nächsten Moment bekommen wir sie zu sehen. Weiß leuchtend und mit einer Zähigkeit, die an Honig erinnert, quillt sie aus einem Rohr.

Bald ist die Form voll und wird beiseitegeschoben. Kurz strömt noch etwas von dem glühenden Honig durch den Spalt im Boden, dann wird das Rohr wieder verschlossen. Herabhängende Reste der Schmelze verfestigen sich und verglimmen zu gläsernen Stalaktiten. Schon ist einer der Männer mit einem Hammer zur Stelle und klopft sie ab. Wie zuvor die überschüssige Schmelze verschwinden die Scherben im Boden, wo ein kühlendes Wasserbecken sie auffängt. Die nächste leere Form kann gebracht werden. Sie ist allerdings rechteckig, hat also nichts mit den ELT-Segmenten zu tun. Aber auch anderes Hightechgerät, zum Beispiel solches für die Halbleiterlithographie, braucht optische Elemente aus Zerodur.

„Das ist ein technisches Glas“, betont Westerhoff. Im ELT wird seine polierte und versilberte Oberfläche das Licht aus den Tiefen des Universums lediglich reflektieren. Für Linsen und anderes, was Licht möglichst wenig absorbieren soll, eignet sich Zerodur eigentlich nicht, jedenfalls nicht bei allen Wellenlängen. Das lässt sich an dem ELT-Rohling besichtigen, der an einem anderen Mittwoch gegossen wurde und inzwischen den sogenannten Kühlofen verlassen hat, wo die frisch gefüllten Formen kon­trolliert erkalten. Der Glaszylinder hat einen appetitlichen bernsteinfarbenen Farbton, ist aber völlig durchsichtig. Allerdings, noch ist das Material da vor uns kein echtes Zerodur.

Das entsteht erst, wenn die Rohlinge noch einmal auf knapp 800 Grad erhitzt werden. Dann kommt es zur sogenannten Keramisierung: Inmitten der glastypisch regellos verteilten Moleküle keimen winzige Kristalle, am Ende sind sie gerade einmal 70 Nanometer groß. Aus dem Glas ist eine Glaskeramik geworden, und es hat nun die Eigenschaft, deretwegen man es dort einsetzt, wo höchste Präzision gefordert ist: Es ändert bei Temperaturschwankungen seine Ausdehnung so gut wie nicht. Denn wenn es sich beispielsweise erwärmt, dehnt sich die Glasmatrix zwar aus, doch die sorgfältig dimensionierten Kriställchen ziehen sich entlang einer ihrer Achsen in exakt demselben Maße zusammen.

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Glas für das Superauge

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