Was uns James Webb über das Universum verraten wird

2022-06-25 09:20:59 By : Mr. TOM WONG

Wie das neue Weltraumteleskop 13,5 Milliarden Jahre zurück blickt und was es über die Zusammensetzung von Planeten erfahren kann.

Vor uns liegen spannende Jahre. Das James Webb Weltraumteleskop ist auf einem sehr guten Weg, sein Ziel am Lagrange-Punkt-2 (L2) problemlos zu erreichen. In etwas über 5 Monaten sehen wir dann die ersten Bilder einer neuen Ära der Sternenbeobachtung.

Was uns genau erwartet, kann man nur vage vorhersagen. Eines gilt aber als sicher: Was Forscher*innen auf der ganzen Welt mit den Daten machen können, die zurück zur Erde gesandt werden, wird die Astonomie-Welt nachhaltig verändern.

Obwohl Webb als Nachfolger von Hubble bezeichnet wird, blickt es doch anders in das Universum, nicht nur aufgrund seiner Bauweise mit einem deutlich größeren Spiegel (6,5 m) und größerer Brennweite von  131,4 Metern ( hier mehr dazu ). Das neue Weltraumteleskop ist auf den nahen und mittleren Infrarotbereich ausgelegt, während Hubble im sichtbaren, ultravioletten und nahen Infrarotbereich ins All blickt. Damit sieht Webb nicht nur Objekte, die 10 bis 100 Mal schwächer leuchten, als jene die Hubble sieht. Es blickt auch viel weiter in die Vergangenheit zurück: nämlich 13,5 Milliarden Jahre.

Mit Webbs Instrumenten MIRI (Mittelinfrarot) und NIRSpec (Nahinfrarot) ist Spektroskopie möglich. Das bedeutet, dass Licht wie bei einem Prisma eingefangen und in verschiedene Wellenlängen zerlegt wird.

Je nachdem, wie sich das Licht aufspaltet, können Astronom*innen mehr über Planeten, Sterne, Galaxien, Nebel und andere Himmelsobjekte erfahren - zum Beispiel die Zusammensetzung ihrer Atmosphäre. Anders als bei anderen Teleskopen ist dafür eine vergleichsweise kurze Beobachtungszeit von teilweise nur 30 Minuten notwendig.

Webb hat 4 große wissenschaftliche Säulen, die beobachtet werden:

Auch wenn man natürlich gespannt darauf ist, bis kurz nach dem Urknall zurückblicken zu können, richten die Forscher*innen den Blick auch auf unser eigenes Sonnensystem. Ganz oben auf der Liste: Die Atmosphäre des Mars, der Jupitermond Europa und der Saturnmond Enceladus. Die beiden letzteren haben unterirdische Ozeane, die Leben enthalten könnten und Webb wird im ersten Betriebsjahr seinen Blick dorthin richten, wie NASA-Wissenschaftsdirektor Thomas Zurbuchen in einem Pressebriefing erklärte.

© NASA/JPL/University of Arizona

Andere Wissenschaftler*innen werden weiter in die Ferne schauen. ESA-Wissenschaftsberater Mark McCaughrean arbeitet schon seit 1998 an James Webb und wartet seither auf seine Beobachtungszeit.  "Ich werde mir den Orion Nebel ansehen, ein Ort an dem heute noch Sterne geboren werden. Dort findet man ‚jugendliche‘ Sterne, die nur eine Million Jahre alt sind“, erzählt er der futurezone im persönlichen Gespräch.

Er will der Frage auf den Grund gehen, wie dort jupiter- und saturnähnliche Planeten genau entstehen, denn das ist bisher unbekannt.

Außerdem wird er sich der Entstehung von Sternen widmen. Um sie herum wirbelt eine Scheibe aus Gas und Staub (eine sogenannte Protoplanetare Scheibe).

Vom Nord- und Südpol des sich formenden Sterns gehen Jets aus, also Ströme von Materie. Sie nehmen den Schwung aus der rotierenden Scheibe. Das Material fällt nach Innen und der Stern kann sich formen. Auch diese Sterne wird sich McCaughrean ansehen. „Einige von ihnen haben die schönsten Jets, die jemals gefunden wurden. Mit JWST werden wir Bilder von ihnen bekommen.”

Die große Frage, die sich alle stellen, und über die auch unter Wissenschaftler*innen scheinbar keine Einigkeit herrscht, ist: Werden wir Aliens finden? Einige, darunter auch McCaughrean, dämpfen die Erwartungen. JWST sei nicht darauf ausgelegt, Außerirdische zu finden, sagt er.

Andere sehen wiederum das Potenzial, Spuren von Leben zu entdecken. „Es ist unglaublich schwer vorherzusagen, was wir entdecken werden. Webb ist so viel stärker als alles, was wir zuvor hatten. Wir werden Dinge hochauflösender sehen und haben die Hoffnung etwas zu finden, das nach Leben schreit“, zeigt sich die Forscherin Nora Lützgendorf zuversichtlich. Sie hat unter anderem an Webbs Nahinfrarotscanner NIRSpec mitgearbeitet. Deshalb ist sie auch unter den ersten, die ihre Beobachtungen mit Webb durchführen wird, nachdem die monatelange Kalibrierungsphase des Teleskops beendet wurde.

Nora Lützgendorf vor dem aufgefalteten James Webb Space Teleskop

© NGAS (Northrop Grumman Aerospace Systems)

Sie wird ihren Blick auf "Nearby Galaxys", spezieller die Kerne nahegelegener Galaxien, richten. Erforscht und untersucht werden also Schwarze Löcher und wie sich Gase dort bewegen. Mithilfe der Spektroskopie von NIRSpec und MIRI wird sie mit ihrem Team Geschwindigkeitskarten der Galaxiekerne erstellen. Darauf wird festgehalten, wie sich Gase bewegen – z.B. ob sie auf uns zukommen, oder sich entfernen.

„Wir vermessen das Schwarze Loch, untersuchen welche Masse es hat und wie Gase von den Jets beeinflusst werden, die vom Schwarzen Loch ausgehen“, sagt Lützgendorf der futurezone. Insbesondere das massive Schwarze Loch der Radiogalaxie Centaurus A, aber auch den deutlich näheren Mittelpunkt unserer eigenen Galaxie, Sagittarius A*, wird sie beobachten. „Wir wollen nah ans Schwarze Loch rankommen und sehen, wie sich die Materie drum herum bewegt.“

rechts: © NASA, ESA and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Hubbles Bild von den Säulen der Schöpfung ist weltbekannt. Links sieht man die Aufnahme der Formation im Adlernebel im sichtbaren Bereich, rechts im nahen Infrarotbereich

Der Beobachtungsplan für JWST wird immer für ein Jahr im Voraus gemacht, um auf aktuelle Entdeckungen eingehen zu können. Bewerben können sich Forscher*innen aus der ganzen Welt. "Das Teleskop ist ein Traum vieler Wissenschaftler über Dekaden hinweg. Das wird die größte Mission der NASA für die nächsten 10 bis 20 Jahre sein. Es gibt uns Hoffnung für eine Zusammenarbeit von Menschen auf der ganzen Welt. Wir werden die Grenzen unseres Wissens damit verschieben", zeigt sich Zurbuchen begeistert.

Inzwischen ist klar: Ariane-5 hat beim Start so gute Arbeit geleistet, dass nur sehr wenig Treibstoff für die Kurskorrektur des Teleskops notwendig war. Das erhöht die Betriebszeit von mindestens 10 Jahren auf über 20 Jahre, wie die NASA mitteilte (futurezone berichtete).

Was Astronom*innen finden werden mag noch unsicher sein. Garantiert ist aber, dass Webb Beobachtungsmöglichkeiten eröffnet, die bisher kein Teleskop liefern konnte. Die Nah- und Mittelinfrarotkameras sehen Wellenlängen, die von der Erdatmosphäre geblockt werden. Mit Webb können also Dinge sichtbar werden, von deren Existenz jetzt noch niemand etwas ahnt.

Ob die Bilder ähnlich malerisch aussehen werden, wie jene, die Hubble uns geschickt hat, werden wir in zirka 5 Monaten wissen. Wohin Webb als erstes blickt ist so gut gehütet wie ein Staatsgeheimnis, sagt Thomas Zurbuchen auf Frage der futurezone. Laut Lützgendorf hat man für die ersten Bilder aber besondere Ziele ausgewählt und die Bilder werden anders, aber „auf jeden Fall schön“ sein.

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.