Hintergrund: Die Rotation zwischen verschiedenen WHO-Stufe-III-Opioiden stellt für Patienten mit chronischen tumorbedingten Schmerzen unter einer Opioidtherapie eine Behandlungsalternative bei unzureichender Analgesie und/oder intolerablen Nebenwirkungen dar. Die Evidenz für die Praxis der Opioidrotation ist umstritten, aktuelle deutsche und internationale Leitlinien geben lediglich schwache Empfehlungen.
Methode: Systematische Literaturrecherche zur Opioidrotation bei erwachsenen Patienten mit chronischen Tumorschmerzen unter regelmäßiger Medikation mit WHO-Stufe-III-Opioiden (oral oder transdermal).
Ergebnisse: Eingeschlossen wurden 9 Einzelstudien mit insgesamt 725 Patienten. Darüber hinaus wurden 3 vorangegangene systematische Reviews mit insgesamt 3 396 Patienten analysiert. Als „first line“-Opioide wurden Morphin, Oxycodon, Fentanyl, Hydromorphon und Buprenorphin verwendet; Hydromorphon, Buprenorphin, Tapentadol, Fentanyl, Morphin, Oxymorphon und Methadon als „second line“-Opioide. In allen Einzelstudien konnte eine Schmerzkontrolle über einen Zeitraum von 14 Tagen nach der Rotation erreicht werden. In den meisten Arbeiten waren Dosissteigerungen über das jeweils initial gewählte Rotationsverhältnis hinaus nötig, eine Ausnahme bildeten Rotationen zu Methadon. Die Häufigkeit von Nebenwirkungen konnte nur in Einzelfällen reduziert werden, dennoch bewerteten Patienten das Rotationsergebnis überwiegend positiv. Es zeigte sich kein Vorteil für ein bestimmtes Opioid.
Schlussfolgerung: Durch eine Opioidrotation können Verbesserungen von Analgesie und Patientenzufriedenheit erreicht werden. Der Erfolg der Rotation scheint unter anderem von der Höhe der Ausgangsdosis beeinflusst zu sein. Äquianalgetische Tabellen sollten lediglich als grobe Richtlinie zur Bestimmung von Umrechnungsdosierungen verstanden werden. Rotationen zu Methadon sollten unter klinischer Überwachung erfolgen und erfahrenen Anwendern vorbehalten sein.
Schmerzen treten bei 50–90 % aller Tumorpatienten auf (1). Schätzungen zufolge erreichen zwischen 71 und 100 % der Patienten eine zufriedenstellende Schmerzkontrolle, wenn das WHO-Stufenschema angewendet wird (2). Nichtsdestotrotz bestehen bei circa 30 % der Patienten unter Therapie mit starken Opioiden weiterhin Schmerzen, opioidassoziierte Arzneimittelnebenwirkungen oder beides (3). Die Opioidrotation bezeichnet den Wechsel von einem Opioid („first line“-Opioid) zu einem anderen („second line“-Opioid) aufgrund von intolerablen Nebenwirkungen (AE = adverse events) unter adäquater Analgesie oder aufgrund von zunehmenden Nebenwirkungen unter Dosiseskalation bei nicht ausreichender Analgesie eines Opioids (4, 5). Die Möglichkeiten einer Dosiseskalation sind limitiert, da bei täglichen Morphin-Äquivalent-Dosen (engl. MEDD = „morphine equivalent daily dose“) über 100 mg das Risiko opioidassoziierter Todesfälle deutlich steigt (6).
Die Begriffe Opioidrotation und Opioidwechsel (englisch: „opioid switch“) werden in der Literatur weitestgehend synonym benutzt. Zu beachten ist, dass in der Literatur hierbei nicht immer getrennt wird zwischen Rotationen, die aus den angeführten Gründen stattfinden und Rotationen, die aus sogenannter „convenience“ vorgenommen werden, die im Englischen korrekterweise als „opioid conversion“ bezeichnet werden. Grund für die „opioid conversion“ kann beispielsweise sein, dass der Patient ein bestimmtes Präparat präferiert, obwohl eine stabile Analgesie vorliegt und Nebenwirkungen fehlen.
Eine Opioidrotation kann aus den genannten Gründen prinzipiell auch bei Nicht-Tumorschmerzen angewendet werden, hat hier jedoch einen wesentlich geringeren Stellenwert, da die Opioidtherapie in dieser Patientengruppe spätestens seit der Publikation der LONTS-Leitlinie in Deutschland zunehmend kritisch gesehen wird (7). In der Literatur wird die Notwendigkeit zur Opioidrotation unter den Tumorschmerzpatienten mit 20–44 % angegeben und kann in 40–80 % zu einer klinischen Verbesserung führen (8, e1).
Seit einem Cochrane-Review aus dem Jahr 2004 (8) beschäftigten sich bis 2010 nur zwei Reviews systematisch mit der Frage nach der Effektivität der Opioidrotation für die spezielle Gruppe der Tumorschmerzpatienten (9, 10). Die Autoren aller drei Arbeiten kamen zu dem Ergebnis, dass die Opioidrotation zwar gängige Praxis ist, stabile Evidenz aufgrund überwiegend methodisch schwacher Studien jedoch fehlt. Im klinischen Gebrauch weit verbreitet und Grundlage diverser Leitlinienempfehlungen sind die in Tabelle 1 angegebenen Dosisäquivalenzen.
Die zumeist zurückhaltenden Empfehlungen in Leitlinien (Kasten) machen deutlich, dass die Praxis der Opioidrotation in der Tumorschmerztherapie mit großen Unsicherheiten verbunden ist.
Ziel dieser Arbeit ist es daher, einen aktualisierten Stand zur Opioidrotation bei tumorbedingten chronischen Schmerzen anhand einer systematischen Literaturrecherche unter Berücksichtigung von Studien mit hohem Evidenzgrad zu vermitteln.
Die systematische Literaturrecherche orientierte sich an den Empfehlungen des PRISMA-Statements (11) und dem Regelwerk der AWMF für die Entwicklung von Leitlinien (e6).
In einem 2004 publizierten Cochrane-Review von Quigley (8) wurde die Primärliteratur zum Thema Opioidrotation zur Schmerzbehandlung von 1960 bis Januar 2003 systematisch aufgearbeitet. Wir suchten systematisch nach aggregierter Evidenz für den Folgezeitraum 01/2003–01/2017 in den Datenbanken DARE (Database of Abstract of Reviews of Effects) und MEDLINE (PubMed). Bei der Sichtung und Bewertung der aggregierten Evidenz identifizierten wir einen methodisch hochwertigen systematischen Review von Dale et al. aus dem Jahr 2011 (10) (Suchzeitraum Primärliteratur 2003–2010). In Anlehnung an die dortige Suchstrategie definierten wir für den Folgezeitraum (1. 1. 2010–31. 1. 2017), eine sensitive Suchstrategie für die Datenbanken MEDLINE (via PubMed) und CENTRAL (Central Register of Controlled Trials). Zusätzlich führten wir eine Handsuche in wichtigen nationalen und internationalen Journals durch. Die vollständigen Suchstrategien für alle Datenbanken sind in eTabelle 1 dargestellt.
Zunächst wurden Abstracts der Suchtreffer aller Datenquellen auf inhaltliche Relevanz gescreent. Die klinische Fragestellung wurde im PICO-Format präzisiert (Tabelle 2) .
Alle im Abstract-Screening als potenziell relevant identifizierten Artikel wurden im Volltext gelesen und von zwei Reviewern (MS und FH) auf a priori definierte inhaltliche und methodische Ein- und Ausschlusskriterien analysiert (eTabelle 2) . Hinsichtlich des Studiendesigns berücksichtigten wir systematische Reviews (SR) mit oder ohne Metaanalysen, randomisierte kontrollierte Studien (RCT) und prospektive Beobachtungsstudien (mit oder ohne Kontrollgruppe). Keine Berücksichtigung fanden narrative/unsystematische Reviews, retrospektive Beobachtungsstudien, Fallserien oder Einzelfallberichte.
Die zentralen klinischen und methodischen Informationen aller eingeschlossenen Studien wurden in Evidenztabellen stratifiziert nach Studiendesign berichtet (Systematische Reviews: eTabelle 3, RCTs und prospektive Beobachtungsstudien: eTabelle 5 ).
Bewertung der Qualität der eingeschlossenen systematischen Reviews und Studien
Für die Bewertung der systematischen Reviews wurde das validierte AMSTAR-Bewertungsinstrument („a measurement tool to assess methodological quality of systematic reviews“) genutzt (12, 13).
Das Verzerrungspotenzial („risk of bias“ [RoB]) der eingeschlossenen RCT wurde mittels des validierten Cochrane Risk of Bias Tools durch zwei unabhängige Reviewer bewertet (14).
Die Studienqualität der prospektiven Beobachtungsstudien wurde mit dem validierten MINORS-Bewertungsinstrument („methodological index for non-randomized studies“) beurteilt (15).
In Ergänzung zur Qualitätsbewertung der eingeschlossenen Studien wurden die systematischen Reviews und Einzelstudien den Evidenzklassen Level of Evidence (LoE), LoE 1a bis LoE 5 des Oxford Centre for Evidence-Based Medicine (CEBM) zugeordnet (16).
Insgesamt wurden 502 Treffer über die Hand- und Datenbanksuche identifiziert. 12 Publikationen erfüllten die Einschlusskriterien des vorliegenden Reviews: 3 systematische Reviews (9, 10, 17), 4 randomisierte kontrollierte Studien (18–21) sowie 5 prospektive Beobachtungsstudien ohne Kontrollgruppe (22–26). Der Vollständigkeit halber wurden auch die Ergebnisse zweier systematischer Reviews, die bei der Suche nach aggregierter Evidenz für die Jahre 2003–2010 identifiziert wurden, tabellarisch aufgearbeitet (8, 27). Keines der Reviews hat Ergebnisse der Einzelstudien meta-analysiert. 3 der 5 identifizierten systematischen Reviews folgten explizit dem PRISMA-Statement. Auf Basis der AMSTAR-Kriterien konnten – mit Ausnahme eines Reviews – alle identifizierten Reviews als methodisch hochwertig bewertet werden und stellen neben der Primärliteratur eine Evidenzgrundlage auf Level 3a dar.
In die 2011 von Dale (10) als Anschlussreview an den Cochrane-Review von Quigley (8) konzipierte Arbeit konnten 11 unkontrollierte prospektive Studien (gesamt n = 280) zu verschiedenen Opioiden mit kleinen Patientenzahlen (n = 10–32) eingeschlossen werden. Hinsichtlich Schmerzen gaben sieben Studien eine Reduktion des durchschnittlichen Schmerzes um > 3/10 Punkten auf der „numeric ratinge scale“ (NRS) an. Drei Studien drückten die Schmerzverbesserung als Erfolgsrate aus, die zwischen 50–80 % variierte, allerdings inkonsistente Messkriterien verwendete. Ein Vorteil für eine Einzelsubstanz konnte nicht gesehen werden, jedoch ein Zusammenhang des Rotationserfolges mit der Höhe der Dosis des „first line“-Opioids. Die Autoren resümierten, dass bei höheren Dosen eine Tendenz zu geringerem Rotationserfolg besteht. In den meisten Studien wurde nicht berichtet, ob eine ausreichende Titration des primären Opioids erfolgt war und die Beobachtungszeiträume nach Rotation ausreichend lange gewählt waren. Die Autoren schlussfolgerten, dass zum Erhalt verwertbarer Rotationsergebnisse ein Beobachtungszeitraum von mindestens 14 Tagen nach Rotation notwendig sei.
Der systematische Review von McLean (17) befasste sich inhaltlich mit der Rotation zu Methadon unter Einschluss von 10 prospektiven (hierunter 1 RCT, n = 42) und 15 retrospektiven Studien (gesamt n = 1 229) und beleuchtete verschiedene Rotationsregime (Tabelle 4) . Die Endpunkte wurden allerdings nur in 17 der Studien mit validierten Messinstrumenten erhoben, in den restlichen 8 Studien lediglich durch klinisches Assessment. Mit Hinweis auf methodische Limitationen konstatieren die Autoren, dass in fast allen Studien das Rotationsergebnis positiv bewertet wurde. Sowohl die „ad libitum“-Methode als auch die „3 days switch“-Methode konnten in über 90 % der Patienten als erfolgreich bewertet werden, während dies für die „rapid conversion“-Methode nur in 78 % der Patienten zutraf.
Mercadante und Caraceni (9) berücksichtigten in ihrem systematischen Review 5 RCT und 26 prospektive Fallserien (gesamt n = 1 887) mit dem Ziel der Überprüfung der Evidenz der äquianalgetischen Dosisempfehlungen. Der Review bildete die Evidenzgrundlage für die Empfehlungen aus Tabelle 1 , stellte jedoch auch eine klare Abhängigkeit von der Höhe der „first line“-Opioiddosis fest: Je höher diese war, umso unzuverlässiger gelang die Rotation ohne nachfolgende Dosisanpassung, während sich die Angaben aus Tabelle 1 für Oxycodon, Hydromorphon, Fentanyl und Buprenorphin in niedrigeren Dosisbereichen als zuverlässig erwiesen. Ein „cut off“-Wert, bis zu welcher „first line“-Opioiddosis die Tabellenangaben verwendet werden sollten, wird nicht genannt. Für die Rotation zu Methadon geben die Autoren aufgrund der großen Varianz der Ergebnisse explizit keine äquianalgetische Empfehlung.
Von den 9 eingeschlossenen Einzelstudien (gesamt n = 725) war bei 6 eine Opioidrotation aufgrund von Schmerzen oder intolerablen Nebenwirkungen durchgeführt worden, bei 3 Studien dagegen ausschließlich aus „convenience“-Gründen bei stabiler Analgesie (eTabelle 5) .
Hinsichtlich des primären Endpunktes zeigten alle eingeschlossenen Studien eine Verbesserung der Schmerzen (wenn die Rotation aus diesem Grund erfolgte) beziehungsweise eine fortgesetzt stabile Schmerzkontrolle (wenn die Intervention aus „convenience“-Gründen stattfand).
Alle Studien waren mit Dosistitrationsphasen zum Erreichen stabiler Analgesie konzipiert und in allen Studien fanden zum Erreichen des Endpunktes eine oder mehrere Dosisanpassungen in den jeweiligen „follow up“-Zeiträumen statt. Die „first line“-Opioiddosis unterschied sich deutlich zwischen Studien mit „convenience“-Patienten (MEDD 33–92 mg) und Studien, die Patienten mit insuffizienter Analgesie und/oder intolerablen Nebenwirkungen untersuchten (MEDD 124 bis 1330 mg). In der Mehrzahl der Studien wurde die Dosis des „second line“-Opioids nach Rotation innerhalb der jeweiligen „follow up“-Phase gesteigert (Tabelle 3) . Lediglich bei Moksnes (19), wo Rotationen zu Methadon mit der „stop and go“-Methode (SAG) oder „3 days switch“-Methode (3DS) durchgeführt wurden, fand sich nach Abschluss der 14-tägigen Beobachtungsphase eine Reduktion der äquivalenten Methadondosis (19). In der Studie von Poulain (20) blieb die Methadondosis nach Rotation ohne wesentliche Schwankungen über den Beobachtungszeitraum stabil.
Opioidassoziierte Nebenwirkungen wurden in allen Studien beschrieben, wobei ihre Erfassung mit heterogenen Kriterien und Messinstrumenten erfolgte. Die Häufigkeit wurde zwischen 25 respektive 33 % bei Poulain (20) und > 90 % bei Slatkin (21), Imanaka (18) und Lee (22) angegeben. In zwei der Studien wurde kein Unterschied im Auftreten von Nebenwirkungen vor beziehungsweise nach Rotation gesehen (20, 24). Imanaka et al. (18) beschreiben in einer „convenience“-Studie einen Vorteil für Tapentadol gegenüber Morphin hinsichtlich des Auftretens gastrointestinaler Nebenwirkungen (38 % versus 54 %) bei sonst vergleichbaren Nebenwirkungen. Minami (25) fanden in einem „convenience“-Kollektiv eine Verbesserung Oxycodon-assoziierter Müdigkeit nach Rotation zu Fentanyl bei ansonsten ebenfalls vergleichbaren Nebenwirkungen. In Studien mit „non convenience“-Patienten konnte kein Vorteil einer Einzelsubstanz gefunden werden.
Die subjektive Zufriedenheit der Patienten mit der Rotation wurde in drei Studien untersucht. Am höchsten wurde sie mit 96 % bei Slatkin angegeben; gleichzeitig gaben hier 93 % der Patienten das Neuauftreten von mindestens einer unerwünschten Nebenwirkung nach Rotation an (21). In zwei anderen Arbeiten (22, 25), in denen jeweils von Oxycodon zu Hydromorphon (n = 114, Rotation aufgrund von Schmerzen) beziehungsweise Fentanyl (n = 49, Rotation aufgrund von Convenience) rotiert wurde, lag die Patientenzufriedenheit 14 Tage nach Rotation im Bereich von 60 %.
Fällt die Entscheidung zu einer Opioidrotation, sollte die Dosis des „second line“-Opioids so gewählt werden, dass sie sowohl sicher, als auch effektiv ist. Wird aufgrund von insuffizienter Analgesie, intolerablen Nebenwirkungen oder beidem gewechselt, sollte die neue Dosis Leitlinien zufolge geringer als die Berechnung sein und nach Rotation wieder auftitriert werden (8). In den hier untersuchten Studien zeigte sich jedoch, dass – abgesehen von Studien zu Methadon – in allen Fällen die zunächst errechnete Opioiddosis zum Erreichen suffizienter Analgesie erhöht werden musste, und zwar unabhängig von der Rotationsindikation (Tabelle 3) . McLean et al. (17) geben diesbezüglich zu bedenken, dass gerade für Patienten mit klinisch instabiler oder algetisch exazerbierter Situation überlegt werden sollte, von vornherein eine höhere Dosis des „second line“-Opioids zu verwenden, um das Risiko einer anhaltenden Unterversorgung zu vermeiden. Eine höhere Dosis des Ausgangsopioids kann Ausdruck eines komplexeren Schmerzgeschehens sein und den Erfolg der Rotation relevant beeinflussen (24).
Besonderheiten im klinischen Umgang mit Methadon
Zur Rotation auf Methadon werden verschiedene Methoden praktiziert (Tabelle 4) . Der „3 days switch“ und die „ad libitum“-Methode scheinen trotz niedriger Evidenz effektiv zu sein, während Modelle, welche eine schnelle Umstellung versuchen („stop and go“, „rapid conversion“), keinen Vorteil zu bringen scheinen (17). Die Zeit zum Erreichen einer Dosisstabilität kann aufgrund seiner langen Halbwertszeit zwischen 35 bis zu 325 Stunden (13,5 Tage) variieren. Je höher die Dosis des „first line“-Opioids liegt, desto potenter ist die Wirkung des Methadons. Bei Rotationen von hohen Dosierungen des Ausgangsopioids wird also verhältnismäßig weniger Methadon angesetzt (Tabelle 4) . Zugleich werden hohe Ausgangsdosen (≥ 40 mg/d) sowie rasche Dosissteigerungen (> 25 mg/d) als riskant eingestuft (28). Unabhängig von der gewählten Methode sollte darum entsprechend der EAPC-Leitlinienempfehlung (e1) während der Opioidumstellung eine klinische Überwachung in den ersten Tagen erfolgen.
Gastrointestinale Nebenwirkungen zählen zu den häufigsten opioidassoziierten Arzneimittelnebenwirkungen, insbesondere eine Obstipation kommt in 41–73 % aller Tumorpatienten unter Opioidtherapie vor (37). In Leitlinien (16) werden bei therapierefraktärer Obstipation unter anderem eine Rotation zu Fentanyl oder Methadon empfohlen. Auch mit Naloxon kombinierte Opioide sollen aufgrund niedrigerer µ-Rezeptor-Affektion einen Vorteil bringen (38) und Studien an Nicht-Tumorschmerzpatienten konnten einen vorteilhaften Einsatz von Tapentadol bei Vorliegen gastrointestinaler Nebenwirkungen (39, 40) zeigen. Letzteres konnte in einer hier berücksichtigten Vergleichsstudie mit 100 Patienten, welche zu Tapentadol oder Morphin rotiert wurden (18), bestätigt werden: In der Tapentadol-Gruppe fanden sich gegenüber Morphin deutlich weniger gastrointestinale Nebenwirkungen.
Die eingeschlossenen systematischen Reviews zeigten starke Heterogenität bezüglich Methodik, Art der eingeschlossenen Studien, Auswahl der Endpunkte und Bewertung der Einzelstudien. Trotz einer sensitiven und systematischen Suche nach Primärliteratur identifizierten wir nur wenige randomisierte kontrollierte Studien. Ein generelles Problem bei der Durchführung von klinischen Studien mit Schmerzpatienten ist, dass unter unkontrollierten Schmerzen oder Arzneimittelnebenwirkungen leidende Patienten aus ethischen Gesichtspunkten nicht oder nur schwierig in randomisierte kontrollierte Studien eingebunden werden können (27), was die Studienlage schmälert. Außerdem konnten wir mit unserer Hand- und Datenbank-Recherche vornehmlich Studien finden, welche die Wirksamkeit der Opioidrotation belegen bei gleichzeitig hohen „drop-out“-Raten. Ein Publikationsbias ist wahrscheinlich.
Eine weitere Limitation der eingeschlossenen Einzelstudien ist das hohe Verzerrungspotenzial bei der Erhebung der Endpunkte. Die Erhebung von Schmerzen und Nebenwirkungen als „outcome“-Parameter werden zwar häufig mit standardisierten Messinstrumenten durchgeführt (numerische/verbale Rating-Skalen), jedoch bleiben diese als patientenberichtete und somit subjektive Endpunkte anfällig für Verzerrungen. Gleichermaßen anfällig sind die Einschätzungen der Endpunkte durch die Behandler bei fehlender Verblindung. Insbesondere die häufig gebrauchten Begriffe „effektiv“/„erfolgreich“ wurden in den Studien verschieden interpretiert. Der tatsächliche „Erfolg“ der Rotation ist somit schwer bewertbar und kaum vergleichbar und darf vor allem nicht vorzeitig bewertet werden. Laut Dale (10) soll der Beobachtungszeitraum mindestens 14 Tage betragen.
In der hier untersuchten Literatur unterschieden sich die Umrechnungsverhältnisse zum Erreichen effektiver Analgesie teilweise deutlich von gängigen Empfehlungen und lagen – außer bei Rotationen zu Methadon – in allen untersuchten Studien höher als die jeweils errechneten äquianalgetischen Dosen. Vor diesem Hintergrund bleibt zu überprüfen, ob aktuelle Leitlinienempfehlungen, die gerade bei Patienten mit insuffizienter analgetischer Versorgung eine initiale Dosisreduktion bei Opioidrotation empfehlen, überdacht werden müssen, um eine andauernde analgetische Unterversorgung zu vermeiden.
Aus methodischer Sicht bedarf es weiterer hochwertiger RCT mit niedrigem Risiko für Verzerrungen, um die Evidenz zumeist konsensbasierter Leitlinienempfehlungen zu stärken. Insgesamt sollte eine Opioidrotation adäquat selektierten Tumorschmerzpatienten nicht vorenthalten werden, da Verbesserungen von Analgesie, Nebenwirkungen und Lebensqualität erreicht werden können.
Dr. Laufenberg-Feldmann wurde für einen Vortrag von der Firma Grünenthal honoriert.
Die übrigen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten eingereicht: 11. 7. 2016, revidierte Fassung angenommen: 14. 11. 2017
Anschrift für die Verfasser Dr. med. Michael Schuster Klinik für Anästhesiologie, Universitätsmedizin Mainz Langenbeckstraße 1, 55131 Mainz michael.schuster@unimedizin-mainz.de
Zitierweise Schuster M, Bayer O, Heid F, Laufenberg-Feldmann R: Opioid rotation in cancer pain treatment—a systematic review. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 135–42. DOI: 10.3238/arztebl.2018.0135
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