Lichtspiele: Virtuoses Flackern in einem Zaubermaterial

2022-08-08 14:36:52 By : Mr. Raymond Ye

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Ein Glasprisma wird mit einem Laserstrahl vermessen. Bild: dpa

Was passiert mit einem Lichtstrahl, wenn man ihn durch einen Werkstoff mit einem Brechungsindex von Null schickt? Harvard-Forscher sind der Frage nachgegangen und haben einige Überraschungen erlebt.

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N ichts kommt bekanntlich schneller voran als das Licht. Im Vakuum legt es in einer Sekunde fast 300.000 Kilometer zurück.  Durchsichtige Substanzen wie Glas oder Wasser hemmen allerdings die Ausbreitung des Lichts und können seine Geschwindigkeit um mehr als die Hälfte verringern. Will man das Licht noch weiter verlangsamen, muss man es durch Substanzen mit ungewöhnlichen optischen Eigenschaften schicken. So ist es gelungen, Laserpulse in einem extrem kalten Gas auf ein Tempo abzubremsen, das spielend ein Radfahrer erreicht, und sogar Licht vollkommen zum Stehen zu bringen.

Jetzt ist Physikern von der Harvard University  in Cambridge gewissermaßen der umgekehrte Effekt gelungen. Sie haben ein Verbundmaterial entwickelt, in dem eine Lichtwelle scheinbar noch schneller vorankommen kann als mit Lichtgeschwindigkeit. Das Geheimnis des Stoffs - er besteht aus einem Polymer, in das winzige Siliziumsäulen einbettet sind - ist sein Brechungsindex: Dieser hat den Wert „Null“.

Die Brechzahl gibt an, wie stark die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer einfallenden Lichtwelle vermindert wird. Sie besitzt bei allen natürlichen Materialien einen positiven Wert. Dabei gilt: Je größer der Brechungsindex ausfällt, desto langsamer kommt ein Lichtstrahl voran. Bei den  meisten Materialien ist der Brechungsindex großer als „1“. Das bedeutet, dass sich die Wellenlänge des sich darin ausbreitenden Lichts verkleinert. Bei einem Stoff, dessen Brechungsindex kleiner als „1“ ist, vergrößert sich die Wellenlänge des eingedrungenen Lichtstrahls. Verschwindet die Brechzahl, kommt es zu einem seltsamen Effekt: Die Wellenlänge einer Lichtwelle wird unendlich, ebenso wie die  Phasengeschwindigkeit, also das Tempo, mit dem sich Wellenberge und Wellentäler ausbreiten.

Das bedeutet allerdings nicht, dass das Licht in dem Material schneller vorankommt, als es die Relativitätstheorie erlaubt. Denn entscheidend für den Transport von Energie oder Information, die in einer Lichtwelle gespeichert sind, ist nicht die Phasengeschwindigkeit, sondern nach wie vor die Gruppengeschwindigkeit eines Wellenpakets.

Wie Eric Mazur und seine Kollegen in der Zeitschrift „Nature Photonics“  berichten, zeigt eine Lichtwelle in einem Material mit verschwindendem Brechungsindex seltsame Eigenschaften. Sie verhält sich nicht mehr wie eine typische Welle. Ihre Phase ist in dem Material an jedem Ort gleich. Die Wellenberge und Wellentäler sind dadurch räumlich verschmiert. Sie oszillieren nur noch in der Zeit und das absolut synchron.

Mazur und seine Kollegen haben nun tatsächlich ein Material hergestellt, das für infrarotes Licht mit einer Wellenlänge von 1590 Nanometer (diese Wellenlänge wird für die Telekommunikation genutzt) keine nennenswerte Brechzahl mehr aufweist. Das Metamaterial -  so bezeichnet man künstlich hergestellte Werkstoffe mit optischen, elektrischen oder magnetischen Eigenschaften, die in der Natur nicht vorkommen - besteht aus einem transparenten Fotolack, in den winzige Siliziumsäulen dicht gepackt und in einer regelmäßigen Anordnung eingebettet sind. Die Säulen, die eine Kristallstruktur bilden, haben einen Durchmesser von 400 Nanometer und einen Abstand von 690 Nanometer. Das Metamaterial wurde oben und unten mit einer dünnen Goldschicht versiegelt.

Um die Eigenschaften des künstlichen Werkstoffs zu testen, haben die Forscher daraus ein winziges 50 Mikrometer großes Prisma gefertigt, das sie mit infrarotem Licht bestrahlten. Tests zeigten, dass das Bauteil für eine Wellenlänge von 1570 Nanometern tatsächlich keine messbare Brechzahl aufwies.

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Das Metamaterial eröffnet nach Ansicht der Forscher ganz neue Möglichkeiten auf den Gebieten  der Photonik und der Optoelektronik. Letztere ermöglicht eine raschere Datenverarbeitung und den Bau schnellerer Computer, da elektrische Signale in optische Signale verwandelt werden und umgekehrt. Mit einem aus dem künstlichen Werkstoff gefertigten Chip könnten  Lichtstrahlen ohne Energieverluste auf jede erdenkliche Weise manipuliert werden. Sie ließen sich nach Aussagen von Mazur und seinen Kollegen quetschen, biegen und verdrehen, was normalerweise nicht möglich ist. Sogar der Brennpunkt ließe sich beliebig verkleinern. Dadurch könnte man Photonen letztlich ähnlich handhaben wie Elektronen, die Informationsträger heutiger Schaltkreise.

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Virtuoses Flackern in einem Zaubermaterial

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