EnMAP: Neuer Umweltsatellit aus Deutschland schickt erstes Bild - DER SPIEGEL

2022-09-10 09:27:17 By : Ms. May Zhang

Links ist der Bosporus aus dem All so zu sehen, wie ihn das menschliche Auge wahrnehmen würde, rechts hat der Satellit längerwelliges Infrarotlicht abgebildet, das Rückschlüsse auf die geologische Beschaffenheit des Untergrunds, aber auch auf die Bebauung ermöglicht. Foto: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Die Welt einmal mit anderen Augen sehen – das sagt man oft einfach so dahin. Der neue deutsche Umweltsatellit »EnMAP« (»Environmental Mapping and Analysis Program«) soll genau das tatsächlich können – wobei er natürlich keine Augen hat; in seinem Inneren werkeln technische Gerätschaften. Am 1. April mit einer »Falcon 9«-Rakete von SpaceX im US-Bundesstaat Florida gestartet, hat das Gerät vor wenigen Tagen sein erstes Bild zur Erde gesendet. Es zeigt einen Streifen von etwa 30 Kilometern Breite und 180 Kilometern Länge über Istanbul am Bosporus in der Türkei, aufgenommen aus rund 650 Kilometern Höhe.

Das Besondere an »EnMAP« ist nicht die Auflösung des Bildes, die nicht besonders hoch ist. Der neue Satellit punktet in einem anderen Bereich: Normale Digitalkameras unterscheiden für ihre Bilder drei verschiedene Farben – rot, grün und blau. Sogenannte Multispektralkameras werten bis zu zehn Bereiche aus. »EnMAP« nutzt dagegen gleich 242 Wellenlängenbereiche des Lichts. Man spricht in diesem Fall von einer Hyperspektralkamera.

Und deren Einsatz in der Umweltbeobachtung hat Vorteile: Jedes Material auf der Erdoberfläche reflektiert das Sonnenlicht auf charakteristische Art und Weise. Dabei lässt sich eine sogenannte Spektralsignatur beobachten, wenn man so will ein optischer Fingerabdruck. So ist im Idealfall nicht nur einfacher zu unterscheiden, welche Teile der Erdoberfläche mit, sagen wir, Roggen bedeckt sind – und welche mit Reihenhäusern. Auch ob die Pflanzen unter Trockenstress oder Schädlingen leiden, ob Seen und Küstengewässer mit Schadstoffen oder Plastikmüll verdreckt sind, all das sollte sich erkennen lassen.

Diese Falschfarbenaufnahme zeigt den Bosporus im Nahinfrarotbereich. Hier kann die Vegetation gut dargestellt werden, die rot zu erkennen ist

Anna Christmann, die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, nennt  den Satelliten »ein hervorragendes Beispiel dafür, wie modernste Raumfahrttechnik zum Wohle der Menschheit und der Umwelt eingesetzt werden kann«.

Tatsächlich hat eine ganze Armada von Erdbeobachtungssatelliten unseren Planeten jederzeit im Blick. Wichtig sind neben dem »Landsat«-Programm der USA auch die europäischen »Sentinels«. Doch während die Amerikaner mit dem – inzwischen außer Dienst gestellten – »Earth Observing-1« ab dem Jahr 2000 schon über einen Hyperspektral-Satelliten verfügten, soll das europäische Beobachtungsprogramm diese Fähigkeit mit dem Observatorium »Chime«  erst gegen Ende des Jahrzehnts bekommen. Immerhin hat Italien 2019 mit »Prisma« einen Hyperspektralsatelliten gestartet.

Der neue deutsche Satellit soll nun innerhalb von mindestens fünf Jahren Unmengen an Daten sammeln. Alle 27 Tage überfliegt er jeden Punkt der Erde. Wird die Kamera gezielt auf interessante Ziele gedreht, sind auch deutlich kürzere Intervalle von vier Tagen möglich.

Die wissenschaftliche Leitung der Mission hat das Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) übernommen. Für Satellitenbetrieb und Überwachung sind die Kontrolleure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen zuständig.

Zwar werde »EnMAP« noch immer kalibriert und exakt eingestellt, sagt Sebastian Fischer, Projektleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. »Die ersten Bilder geben uns aber schon einen ausgezeichneten Vorgeschmack darauf, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt erwarten dürfen.« Sie zeigten, dass der Satellit »einen großen Beitrag dazu leisten kann, die Folgen des Klimawandels aufzuzeigen und der fortschreitenden Umweltzerstörung entgegenzuwirken«.

Zur Wahrheit gehört aber auch: »EnMAP« ist mit mehr als zehn Jahren Verspätung gestartet. Und dreimal teurer  als ursprünglich vereinbart ist der Satellit auch geworden.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass die Rakete mit dem Satelliten in Kalifornien gestartet sei. Richtig ist jedoch Florida. Wir haben den Fehler korrigiert.

Diese Falschfarbenaufnahme zeigt den Bosporus im Nahinfrarotbereich. Hier kann die Vegetation gut dargestellt werden, die rot zu erkennen ist

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