»Ein Riedel-Glas besticht durch seine Funktion« - Falstaff LIVING

2022-09-24 10:58:59 By : Ms. Jasmine Fan

Ausgefallene Designs, neue Herstellungsverfahren und unterhaltsame Beiträge auf Social Media. Dank Maximilian J. Riedel bleibt das Familienunternehmen auch nach 266 Jahren am Puls der Zeit. LIVING bat den CEO zum Interview.

14 . September 2022 - By Amelie-Catharina Bacher

LiVING 2021 feierte Riedel das 265-jährige Jubiläum – wie schafft man es, nach so langer Zeit immer noch erfolgreich zu sein? Muss man sich dafür immer wieder neu erfinden?

Maximilian Riedel Das könnte man wahrscheinlich so sagen. In meiner Familie gab es immer Visionäre, die ihrer Zeit voraus waren. Ob in Böhmen mit der Erfindung von farbigem Glas oder der Glasfaser bis herauf in unsere Zeit mit den auf die Rebsorte abgestimmten, funktionalen Gläsern. Riedel hat damit die Weinwelt und den Weingenuss fundamental beeinflusst und verändert.

Weingläser ohne Stiel, schlangenförmige Dekanter – Sie sind für Ihre außergewöhnlichen Designs bekannt. Gibt es ein eigenes Kreativteam für neue Designs oder entspringen diese allein Ihrer Fantasie? Und wie lange dauert der Entwicklungsprozess eines neuen Produkts?

Bei Riedel gibt es kein Kreativteam. Die Designideen stammen von Familienmitgliedern. In den letzten 40 Jahren hauptsächlich von meinem Vater Georg und mir. Die Umsetzung erarbeite ich mit meinen hochqualifizierten Glasbläsern, die zugegeben manchmal stöhnen, wenn sie meine Designs sehen. Am Ende ist es aber natürlich eine Herausforderung an ihr handwerkliches Können und ihr Ehrgeiz spornt sie an, auch komplexe oder auf den ersten Blick unmögliche Designs umzusetzen. Es ist also Teamwork. Die Dauer hängt von der Komplexität des Designs ab.

Riedel bietet für jeden Wein das passende Glas – wie wichtig ist es dafür, beim Designprozess die Winzer:innen einzubeziehen?

Ohne Winzer:innen geht es nicht. Sie sind für uns die schärfsten und wichtigsten Kritiker:innen, ihrem Qualitätsanspruch müssen unsere Gläser standhalten. Unser Ziel ist erreicht, wenn die Winzer:innen nicht nur zufrieden, sondern überrascht sind von der perfekten Performance unserer Gläser.

Dank Ihnen ist Riedel auch in den sozialen Netzwerken sehr beliebt – warum ist das so wichtig?

Ich habe sehr früh damit begonnen, schon in meiner Zeit in den USA. Die sozialen Netzwerke geben mir die Möglichkeit, unmittelbar mit meinen Kund:innen zu kommunizieren und vice versa. Social Media ist aus der heutigen Kommunikation nicht mehr wegzudenken. Ich genieße das direkte Feedback und lerne auch daraus.

Musste das Unternehmen durch die Coronapandemie umdenken? Und, falls ja, inwiefern?

Die Coronapandemie hat uns – wie viele -andere auch – vor viele Herausforderungen gestellt. Wir haben intern viele Abläufe verändert, um unsere Mitarbeiter:innen sowohl im Office als auch in der Manufaktur noch besser zu schützen.

Was wollen die Konsument:innen nach über zwei Jahren Pandemie? Welche Art von Gläsern verkauft sich momentan besonders gut?

Die Antwort überrascht wahrscheinlich: Handgefertigte Produkte erlebten in den letzten beiden Jahren einen regelrechten Höhenflug. Wir kommen mit der Produktion kaum hinterher. Wir haben daher eine Möglichkeit gesucht und mit der Serie »Riedel Veloce« gefunden, maschinell gefertigte Gläser in einer Qualität zu produzieren, die weder von der Haptik noch von der Funktion der von handgefertigten Gläsern unterlegen ist. »Riedel Veloce« ist derzeit das Beste, was maschinell gefertigt werden kann.

Riedel ist sehr international – wie unterscheiden sich die Wünsche der Kund:innen weltweit?

USA und Asien gehören sicherlich zu den wichtigsten Märkten, schon aufgrund ihrer geografischen Größe. Aber auch Europa ist für uns sehr wichtig. Hier wird so gut wie überall großartiger Wein produziert und aus den perfekten »Instrumenten des Trinkgenusses«, wie wir unsere Gläser gerne nennen, genossen.

Wie bereits erwähnt, lancierte das Unternehmen dieses Jahr mit »Riedel Veloce« eine komplett maschinell gefertigte Serie, die sogar mit einer eigens entwickelten Maschine angefertigt wurde. Wird es in Zukunft immer mehr maschinell gefertigte Gläser geben? Und inwieweit unterscheiden diese sich von dem mundgeblasenen Pendant?

Es wird immer mehr maschinell gefertigte Gläser geben müssen, aus dem einfachen Grund, dass es keine Glasbläser:innen mehr gibt. Wir suchen seit Jahren verzweifelt nach Nachwuchs. Leider mit bescheidenem Erfolg.

Maschinell gefertigten Gläsern »fehlt die Seele des Glasbläsers«, wie es mein Vater immer ausdrückte. Dafür sind maschinell gefertigte Gläser aber absolut fehlerfrei in der Funktion. Wir haben heute die Möglichkeit, maschinell gefertigte Gläser in einer Qualität zu produzieren, dass auch in der Haptik – einem wichtigen Kriterium – kaum mehr Unterschiede bestehen.

Für die Lai:innen unter uns: Woran erkennt man ein qualitativ hochwertiges Glas?

Das Wichtigste vorab: Für Riedel steht immer die Funktionalität im Vordergrund. Ein hochwertiges Glas ist ein funktionales Glas. Generell gesprochen sind aber Glasbeschaffenheit, Wandstärke, kein Rollrand, keine fühl- und sichtbaren Nähte die Parameter, die ein hochwertiges Glas definieren.

Egal ob Gastronomie oder Privatbereich – die außergewöhnlichen Riedel-Dekanter machen das Servieren zu einem regelrechten Erlebnis – was sind, abgesehen vom optischen Highlight, die Vorteile des Dekantierens? Haben die unterschiedlichen Formen eine Auswirkung auf den Geschmack oder steht hier mehr der optische Effekt im Vordergrund?

Wir raten dazu, jeden Wein, ob alt oder jung, rot, weiß oder rosé, zu dekantieren. Manchmal dekantiere ich auch Champagner. Das Dekantieren gibt dem Wein das Leben zurück. Junge Weine brauchen etwas mehr Unterstützung. Für diese Weine haben wir Dekanter mit Doppeldekantierfunktion entwickelt. Der Wein wird sowohl beim Ein- als auch beim Ausschenken belüftet, und das hilft dem Wein, dadurch seine Aromenvielfalt zu zeigen. Reife Weine brauchen diesen zusätzlichen Kick nicht, für sie haben wir ebenfalls eine große Bandbreite von Dekantern kreiert. Auch bei Dekantern gilt: Die Form beeinflusst die Funktion.

Auch die Gläser müssen sich dem Klimawandel anpassen – wieso und in welcher Weise?

Durch die steigende Erderwärmung haben die Trauben mehr Zucker und die Weine dadurch mehr Alkohol. Die Gläser brauchen mehr Volumen, um das auszugleichen beziehungsweise dem Wein mehr Platz zu geben. Wir haben diesen Trend schon früh erkannt und mit der Serie »Riedel Performance« eine Möglichkeit gefunden, das Volumen des Glases zu erhöhen, ohne das Glas enorm werden zu lassen. Das besondere dieser Serie ist die Oberfläche der Glasinnenseite – sie ist in einem maschinellen Vorgang »optisch« gefertigt – das bedeutet eine Rillenstruktur, die die innere Oberfläche des Glases vergrößert, ohne die elegante Silhouette oder die Haptik des Glases zu verändern. Diese Struktur dient auch dazu, den Wein beim Schwenken zusätzlich zu belüften und dadurch die Nase zu verstärken. Ich nenne das »optic impact« – die kaum sichtbaren Rillen sind kein Designgimmick, sondern ihre Aufgabe ist es, den Wein in seiner perfekten und umfassendsten Form zu präsentieren. Der große Erfolg und vor allem auch der Zuspruch der Winzer:innen zeigen uns, dass das Glas funktioniert.

Welche Trends werden uns 2023 im Glasdesign erwarten? Und werden diese auch Ihre eigenen Designs beeinflussen?

Designtrends sind bei uns nicht vorrangig. Wir arbeiten aber immer an Verbesserungen und Erweiterungen. Lassen Sie sich überraschen. Die Ideen gehen uns nie aus. Design ist für uns nur ein zusätzliches Asset. Ein Riedel-Glas besticht durch seine Funktion.

Vor über neun Jahren haben Sie die Riedel-Geschäftsführung übernommen? Was ist Ihr Resümee, wo wollen Sie in zehn Jahren sein?

Ich kann mich bisher nicht beschweren. Wir sind sehr erfolgreich trotz dieser schwierigen Zeiten. In den letzten neun Jahren haben uns die weltpolitischen Ereignisse mehrfach vor große Herausforderungen gestellt. Ich denke an den Syrien-Konflikt, die Immigrationswelle, Corona und jetzt aktuell den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise. Trotz all dieser Wirrnisse ist unser Business Jahr für Jahr gewachsen. Ich habe ein großartiges und sehr erfahrenes Team um mich herum, das sich selbst täglich neu herausfordert. Wir verbessern uns kontinuierlich, wenn es  darum geht, die Produktion effizienter zu machen, Abläufe zu vereinfachen und dadurch zu beschleunigen, unsere Logistik ist am absolut neuesten Stand, wir haben IT-Systeme, die unter anderem die moderne Art des Retail unterstützen, und vieles mehr.

Zusammengefasst: Ich bin glücklich!

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